Segeln im Delphin 85 – eine Entwicklungsgeschichte
Wer im Faltkajak die Enge mäandernder Flussläufe verlässt und auf offenes Wasser gerät, wird wohl schon häufiger einen interessierten Blick auf die – sofern vorhanden – bootseigene Aufnahme für den Segelmast geworfen haben. Mir ging dies zuletzt auf der Schlei so, zumal um uns herum diverse Jollen unterwegs waren. Danach wollte ich richtig segeln lernen und den Delphin 85 mit einer Segelanlage ausstatten.
2012 wurde der Erwerb des SBF Binnen-Scheins ebenso wie einer Segelanlage erfolgreich abgeschlossen. Da die originale MTW-Segelanlage für den Delphin 85 heute so gut wie nicht mehr zu finden ist, entschied ich mich für ein gebrauchtes Steilgaffel-Rigg von Hammer aus Bad Mergentheim. Anders als die erkennbar älternen Holzteile scheinen die Kunststoff-Segel recht modernen Usprungs zu sein. Der Mastdurchmesser war gerinfügig zu dick für die Aufnahmen des Delphin, hier musste noch etwas nachgearbeitet werden.
Mit 4,5 qm fällt die Segelfläche deutlich größer aus als bei den üblichen Ausrüstungen von Pouch & Co. Der Vorbesitzer wies mich darauf hin, dass das Segel Spaß mache, aber dem Bootsführer auch einiges abverlange. Aktuell arbeite ich deshalb an Auslegern, die optional auf der Schwertprücke anzubringen sind und bei stärkerem Wind das Kentern verhindern sollen.
Im Mai 2013 schafft es der Delphin zum ersten Mal unter Segel auf ein größeres Gewässer, den Dümmer See bei Damme. Wegen des auffrischenden Winds habe ich das Boot zunächst nur mit Großsegel, aber ohne Ausleger getestet. Der Delphin verhält sich auf dem Wasser stabil und spricht gut auf das große APAG-Senknorm-Steuerblatt an. Raum- und Halbwind-Kurse sind problemlos zu fahren, gleiches gilt für Halsen.
Etwas schlapp im Vergleich zu Jollen zeigt sich das Boot allerdings auf Am-Wind-Kursen. Bei Wenden muss teilweise das Paddel unterstützend eingesetzt werden. Mit verantwortlich für dieses Verhalten ist sicherlich das fehlende Vorsegel. Leider ergibt sich nach der ersten 45-minütigen Testfahrt keine weitere Gelegenheit, den Delphin mit Vorsegel zu fahren. Dazu demnächst mehr.
Überflüssig scheinen nach den ersten Erfahrungen die Ausleger, sofern man keine Starkwind-Ambitionen hat. Das Faltkajak krängt formbedingt zwar schnell, reagiert im Bedarfsfall aber ebenso zügig auf Gegenmaßnahmen.
Auch auf dem Plauer See in Brandenburg muss ich im August 2013 ohne Vorsegel auskommen, da die noch sehr minderjährige Vorschoterin tagelang keine Lust zum Segeln verspürt. Ohne Fock bestätigen sich die bekannten Probleme bei den Wenden, doch mit gezielt unterstützenden Paddelschlägen beim Übergehen des Groß ist schnell eine effektive Lösung gefunden. Nur das Kreuzen gegen den Wind will nicht so recht gefallen, paddelnd kommt man in dieser Situation deutlich schneller voran. Auf Halb- und Raumwind-Kursen nimmt das Boot dagegen spürbar Fahrt auf, einmal glaube ich sogar das Kielschwein brummen zu hören…
Bei Windstärke 2 bis 3 verhält sich der Delphin jederzeit gutmütig. Fällt eine Böe ein, krängt das Boot zwar spürbar, reagiert aber ebenso schnell auf leichtes Fieren der Schotleine. Diese gehört auf jeden Fall in die Hand und nicht belegt.
Faltbootgestell und Rigg sind aus Holz, knarren beim Segeln deutlich hörbar. Am Anfang fürchtete ich deshalb möglichen Bruch, doch inzwischen wirken die Geräusche teilweise sogar entspannend. Auf jeden Fall sollten Wanten und Vorstag auch bei der geringen Masthöhe straff gespannt sein, der zierliche Mast wird vom Segel sichtbar beansprucht.
Weitere Infos und Bilder vom Segeln auf dem Plauer See 2013 finden sich in meiner privaten Website.
Rollfock
Segelkajaks reagieren konstruktionsbedingt deutlich empfindlicher auf einfallende Böen als Jollen. Das liegt einerseits an der schmalen Bauform und andererseits darin begründet, das aktives Ausreiten gegen den Wind praktisch allenfalls ansatzweise möglich ist. In kritischen Situationen müssen deshalb schnell die Segel herunter. Das Bergen des Großsegels klappt im Delphin 85 noch leidlich gut. Die Fock liegt für den Vorschoter dagegen nach dem Herunterlassen unerreichbar auf dem Vordeck und flattert im Wind herum. Deshalb sind Rollfock-Lösungen beim Kajaksegeln sehr populär, auf Jollen gelten diese dagegen eher als Luxusgut.
Um den Erwerb einer kostspieligen neuen Rollfockanlage zu verhindern, habe ich mich nach Alternativen umgesehen. Den unteren Teil der Anlage (Fockroller) habe ich als einfaches Bauteil gebraucht günstig erwerben können. Als oberes Ende (Topwirbel) kommt ein Kugellagerwirbel aus dem Drachenbedarf zu Einsatz. Gesamtkosten: knapp 50 Euro.
Das Einrollen der Fock klappt damit vollkommen unproblematisch. Beim Abrollen des Vorsegels erfordern die letzten zwei Umdrehungen je nach Wind manchmal etwas Nachrucken an der Schot. Dies liegt am recht weichen Vorliek, das beim Drehen im unteren Bereich dem Zug an der Schot nachgibt und in manchen Situationen „verkantet“. Über eine Versteifung des Vorlieks denke ich aktuell nach.