MTW Delphin 150: die unbekannte Faltjolle
Der MTW-Faltbootbau versuchte mit seinen Produkten von Anfang an ein möglichst großes Publikum anzusprechen. So ließen sich die ersten Delphin-Modelle mit Muskelkraft, Motor und unter Segeln betreiben. Doch gerade in Bezug auf die letztgenannte Antriebsart erwiesen sich die schmale Bauform der Faltboote und die Verwendung von Seitenschwertern schnell als Hindernis. Sportliches Segeln war mit solchen Booten nahezu unmöglich.
1964 präsentierte die Wismarer Werft deshalb mit dem Delphin 130 „Pirat“ ein deutlich segelfreundlicheres Boot. Der Vorstoß wurde in Fachkreisen zunächst wohlwollend aufgenommen, allein die Segeleigenschaften reichten noch immer nicht an eine Festrumpfjolle heran, wie die Zeitschrift „Der Segelsport“ seinerzeit abschließend resümierte. Nur zwei Jahre später legte MTW mit dem 10 cm breiteren Delphin 140 nach. Doch auch dieser vermochte als Segelboot letztlich nicht wirklich zu überzeugen. Der wenig verwindungssteife Rumpf behinderte jede Form von aktivem Ausreiten gegen den Wind. Dies und ein verändertes Freizeitverhalten – die Nutzer in Ost und West fuhren zunehmend lieber Motorboot – sorgten dafür, dass MTW in den folgenden Jahren keine weitere Optimierung in Sachen Segelei betrieb.
Erst 1987 wurde das Thema wieder akut. Hellmuth Weinöhl, der bereits 1961 den Großkatamaran Scalare 250 konstruiert hatte, reichte unter dem Namen „Delphin 150“ den Entwurf für eine Faltjolle in „Schwedenform“ ein. Trotz einer relativ einfachen Grundkonstruktion erwies sich der Rumpf als hinreichend steif für den Segeleinsatz. Versehen mit einer Kat-Takelung sollte der Delphin 150 nicht zuletzt sportlich ambitionierte Einzelsegler ansprechen.
1988 erstmals auf dem Markt erschienen, endete die Produktion des Faltboots bereits im Folgejahr mit dem Zusammenbruch der DDR. Weniger als 300 produzierte Exemplare lassen sich für diesen kurzen Zeitraum dokumentieren. Dementsprechend selten ist der Delphin 150 heute noch anzutreffen. Zum Vergleich – vom Vorgänger Delphin 140 wurden zwischen 1966 und 1987 mehr als 8.000 Einheiten hergestellt.
Wie komme ich zu einem Boot?
Der Verkäufer hatte im Vorfeld mehrere Risse im vorderen Oberdeck fotografisch dokumentiert. Diese Arbeit muss ich weitergeben, die Näherei ist nicht so mein Ding. Glücklicherweise findet sich in Münster die Änderungs- & Serienschneiderei Zymberi. Dort hat man zwar ein Faltboot noch nie gesehen, aber mit Persenningen und anderen maritimen Textilien ist Inhaber Rasim Zymberi vertraut. Eine Woche später kann ich die Bootshaut mit neuem Vordeck abholen. Prima!
Einen gebrauchten D 150 zu erwerben erweist sich 2013 als gar nicht so einfach, vor allem wenn er mit dem original Kat-Rigg ausgerüstet sein soll. Nach einigen Monaten ganz ohne Angebot erreichen mich im Sommer dann gleich mehrere Offerten, sehr unterschiedlich in Ausstattung, Zustand und Preis. Ich entscheide mich schließlich für einen etwas beschädigten, dafür aber bezahlbaren Delphin aus Dresden mit kompletter Segelausstattung. Da der Versand von etwa 80 kg Faltboot in mehreren Taschen zu unsicher erscheint, erfolgt die Übergabe auf halbem Weg in Thüringen. Der Delphin und ich füllen den Innenraum meines Autos auf der Rückfahrt ziemlich aus. Insbesondere die 2,4 m lange Masttasche hätte nicht viel länger sein dürfen! Zusammengesteckt ist der Mast übrigens knapp 6 m lang…
Auch am Holzgerüst gilt es einiges aufzuarbeiten, vor allem Schwertkasten und Heckspiegel sehen nicht mehr ganz frisch aus, gleiches gilt für einzelne Beschläge. Unter dem Strich ein schönes Projekt für den Winter. Denke ich… Tatsächlich braucht es noch einen zweiten Winter bis alle Holzteile wieder vorzeigbar sind.
Holzarbeiten
Nach gut 25 Jahren ist im wahrsten Sinne des Wortes der Lack ab. Vor allem an stark beanspruchten Stellen wie z.B. den Bodenplatten kann von einer geschlossenen Lackdecke keine Rede mehr zu sein. Bei Teilen, die teilweise im Wasser stehen (wie z.B. dem Kiel), ist es stellenweise zu dunklen Verfärbungen und Beschädigungen des Sperrholzes gekommen. Und am Spiegel sind die Scharnierbeschläge ausgerissen, verbogen und teilweise beschädigt. Ansonsten lassen sich für Faltboote typische Kleinschäden feststellen: eine Sente ist angebrochen, leichte Risse finden sich vereinzelt in Sperrholz-Deckschichten und teilweise müssen vergammelte Schrauben und Nieten ersetzt werden. Das übliche halt.
In erster Linie geht es um beschädigte Randbereiche und Deckschichten im Sperrholz sowie um sich lösende Verleimungen. Am stärksten betroffen sind Kiel, Waschbordleisten und Schwertkasten. Sich voneinander lösende Sperrholzschichten lassen sich recht einfach mit Leim, einem Modelierspachtel und zwei, drei flachen Klingen beheben. Bricht dagegen das lackierte Deckholz weg quillt die darunter liegende Holzschicht auf und löst sich ebenfalls ab. In solchen Fällen hat man etwas mehr zu tun.
Zunächst ist es ratsam, den aufgequollenen Holzbereich mit glatter Kante herauszuschneiden. In die Leerräume sind dann in der Höhe passende Holzlagen einzuleimen. Ich verwende dazu Flugzeugsperrholz aus dem Modellbau. Dieses ist nicht ganz billig, hat aber drei wesentliche Eigenschaften: 1) wasserfest verleimt, 2) arbeitet nicht mehr und 3) gibt es in sehr dünnen Schichtenstufen.
Bearbeitet wird das Holz dabei je nach Anforderung mit Laubsäge, kleinem Surform-Hobel von Stanley, Schweif-Hobel, stabilem Teppichmesser, Feile und Schleifpapier. Mit diesen Werkzeugen komme ich persönlich bei der Bearbeitung kleinteiliger Sperrholzabschnitte am besten zurecht. Ist das Deckfurnier nur abgelöst und noch brauchbar, leime ich dieses abschließend auf die erneuerte Holzschicht(en).
Bei kleinteiligen und ungünstig liegenden Schäden kommt in kritischen Fällen Molto Holzspachtel zur Anwendung. Dessen hellgraue Farbe passt zwar nicht wirklich zur Holzoptik, doch erweist sich der Spachtel als stabile Lösung. Und mit etwas Teak-Öl behandelt verliert sich auch das hässliche Grau etwas.
Die Reparatur des Schwertkasten fällt aufwändiger aus, dazu existiert eine eigene Seite.
Während der intensiven Beschäftigung mit dem Gerüst wird deutlich, wie stark MTW bei der Herstellung auf Sperrholz gesetzt hat. Selbst die Senten bestehen nicht mehr aus Massivholz, für Traditionalisten ein definitiver Makel. In der Praxis erweist sich das Sperrholz allerdings nach mittlerweile 25 jahren als erstaunlich gut in Form.
Nähen und Kleben
Das teuerste Einzelteil eines Faltboots stellt die Haut dar. Darum ist vor dem Kauf unbedingt darauf zu achten, dass diese keine irreparabelen Schäden aufweist. Denn eine geeignete Ersatzhaut zu finden ist zumeist problematisch und die professionelle Fertigung einer neuen Hülle für den Delphin 150 kostet schnell mehr als 1.000 Euro! Das Unterschiff von MTW-Booten besteht (von ganz alten Schätzchen einmal abgesehen) aus ebenso unverwüstlichem wie reparaturfreundlichem PVC. Dieser sieht bei meiner Neuerwerbung noch einwandfrei aus. Einzelne Kratzer wurden professionell mit Flicken überklebt und liegen wohl allesamt unsichtbar unter der Wasserlinie. An den beiden oberen Eckkanten des Hecks ist das PVC leicht eingerissen, dies lässt sich aber einfach mit passend zurechtgeschnittenen kleinen PVC-Flicken reparieren.
Die textilen Seitenteile des Oberschiffs hat noch der Vorbesitzer von einem qualifizierten Fachbetrieb ersetzen lassen. Nur das Vordeck präsentiert sich – wie bereits erwähnt – reichlich kaputt. Nachdem die Schneiderei Zymberi an dieser Stelle gekonnt Hand angelegt hat, scheint die Außenhülle rundum erneuert bereit für neue Einsätze.
Ebenfalls zur textilen Ausstattung gehören die beiden etwa drei Meter langen Auftriebsschläuche. Mit insgesamt 4 Luftkammern verhindern diese nach einer Kenterung das Sinken der Jolle. Außerdem straffen sie im aufgeblasenen Zustand die Außenhaut. In einer der vier Kammern ist ein Loch nicht zu übersehen. Da die Auftriebsschläuche wie eine klassische Luftmatraze aufgebaut sind, kann der Schaden mit einem Fahrradreparaturset beseitigt werden: Nachdem die blaue Deckschicht vorsichtig(!) abgeschliffen wurde, lässt sich der Fahrradflicken problemlos auf die darunter liegende Gummischicht kleben.
Nach erfolgreicher Abdichtung des Lochs sind noch kleinere Risse an den PVC-Gurten zu beseitigen. Auch diese Arbeit ist für Laien leicht durchzuführen. Meine Frau setzt abschließend zwei kurze Nähte neu, dann sind die Schläuche bereit für den 24-Stunden-Dauertest. Die mindestens 25 Jahre alten Produkte des VEB Elguwa („Leipziger Gummiwaren“) bestehen die Kontrolle tadellos, es ist am Folgetag kein Luftverlust erkennbar.
Lackarbeiten
Das Schleifen und Lackieren sind traditionelle Winterbeschäftigungen von Holzboot-Eignern. Dies gilt für das jährlich wiederkehrende Refit im Winterlager und noch mehr für Restaurationsprojekte. Die Hardcore-Fraktion unter den Faltboot-Kapitänen entfernt dazu vollständig den Altlack vom Holzgerüst um danach die Schutzschicht komplett neu aufzutragen. Mangels Freizeit sehe ich das Ganze etwas pragmatischer und meine bisherigen Erfahrungen mit MTW-Gerüsten bestätigen mich darin: Der alte Lack wird je nach Zustand mehr oder weniger stark angeschliffen, darauf kommen anschließend zwei bis drei dünne Schichten Ein-Komponenten-Bootslack aus dem Baumarkt.
Die zahlreichen Einzelteile des Delphin-Gerüsts verhindern schnelle Fortschritte, doch nach 25 Jahren bedürfen fast alle Bauteile der Aufarbeitung. Kombiniert mit eher knapp bemessenen Arbeitsflächen ergibt sich eine andauernde Betätigung für die Wintermonate: 10 bis 15 Minuten Lackauftrag, dann heißt es wieder warten. Man muss sich mit diesem Rythmus arrangieren…
Erster Aufbau
Im Frühsommer 2016 ist das Boot endlich fertig, jetzt muss nur das Wetter mitspielen. Anfang Juli erfolgt der erste Aufbau. Ein wenig Nacharbeit wird während des Zusammenbaus noch nötig, dann steht der Delphin 150 komplett aufgetakelt im Garten. Die Patina des 27 Jahre alten Bootes ist geblieben, auch wenn stellenweise Edelstahlbeschläge und -schrauben sowie neues Sperrholz Einzug gehalten haben. Die Plicht erweist sich beim ersten Probesitzen als recht geräumig, zur Not können hier zwei Personen schlafen.
Mit etwas Übung dürfte der Aufbau in gut einer Stunde zu bewerkstelligen sein, nicht zuletzt dank MTWs Konzept des weitgehend vormontierten Stevenschirms. Während der Sommermonate empfiehlt es sich trotzdem, den Trumm von Faltboot nach Möglichkeit aufgebaut zu lagern, damit man bei Bedarf schnell auf’s Wasser kommt.
Spätestens während des Auftakelns wird klar, dass es sich beim Delphin 150 um eine ausgewachsene Segeljolle handelt. Wanten und Vorstag sind aus kräftigem Draht und enden jeweils in robusten Spannmechanismen. Die 7 qm große Segelfläche entspricht dem eines Lasers, der Mast ist mit 5,97 m (üWL) zwischen Laser und Pirat angesiedelt. Praktisches Detail: Der Mast sitzt in einem Mastschuh („Tabernakel“) und lässt sich durch Lösen einer Schraube und des Vorstags z.B. vor Brückendurchfahrten unkompliziert legen. Zur Ergänzung steht auf der Wunschliste noch ein elektrischer Flautenschieber. Grundsätzlich hat MTW den Delphin zwar bis 10 PS freigegeben, doch zur Segelunterstützung dürfte ein möglichst leichtes Heckaggregat deutlich geeigneter sein.
Auf dem Wasser
Geschwindigkeitsrekorde wird man mit dem Delphin 150 nicht brechen. Auf dem niederländischen Heegermeer ließ sich ein Optimist auf Halbwindkurs nicht abschütteln, erst als es an den Wind ran ging, konnte sich der Delphin durchsetzen. Mit einem besseren Segel wäre vielleicht mehr drin gewesen, doch noch habe ich das etwas sehr nachgiebige DDR-Tuch am Mast.
Ein neues Segel wäre eine gute Idee, auch wegen der bislang fehlenden Reffoption. In der Wismarer Bucht wehte in der ersten Augusthälfte 2017 ein überwiegend munterer Wind, da traute ich mich unter Vollzeug häufig nicht raus. Glücklicherweise habe ich in Wismar Christian Bütow von der Horst Bütow Segelmacherei angetroffen. Dort wurden bis 1989 im VEB Plakotex nicht nur für MTW Segel hergestellt. Die alten Unterlagen sind zwar nicht mehr vorhanden, aber Herr Bütow fertigt nach wie vor Segel für Faltboote, aktuell war die Besegelung für einen Scalare 250 in Arbeit.
Zum Abschluss noch etwas Meckerei: Eine Sache ist am D 150 unzureichend gelöst — die Befestigung der Bodenplatten. Insgesamt gibt es 5 davon, eine hinten sowie jeweils zwei seitengeteilt mittig und vorne. Während die hintere gut in Position bleibt, rutschen die übrigen Platten bei Bewegung im Boot bzw. Schräglage relativ leicht aus ihren Halterungen. Die Folge ist, das der ansonsten plane Boden nach oben ragende Kanten aufweist. Bei der Konstruktion des Boots scheint das Problem nicht ganz unbekannt gewesen zu sein, denn die beiden mittleren Platten sind im vorderen Bereich mit einer U-förmigen Klammer verbunden. Dieser Lösung hätte es aber auch im hinteren Bereich der Mittelplatten sowie analog dazu im Vorderbereich bedurft. Hier werde ich noch nachbessern.
Weitere Infos: Bericht zum Segeln mit dem Delphin 150 in der Wismarer Bucht im August 2017